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In den Schären, vor unseren Augen "Gottes Leinwand"

  • Autorenbild: Anke Dollase
    Anke Dollase
  • 17. März 2022
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 7. Mai 2022

"Die Natur muss gefühlt werden."

-Alexander von Humboldt-


Stockholm war spannend, ein ganz anderes Schweden, als das, was wir zuvor erlebt hatten. Doch nun zieht es uns wieder in die Natur. Auf dem Weg nach Figeholm, unserem nächsten Reiseziel, machen wir einen kurzen Stopp in Västervik für einen Nachmittagsspaziergang. Västervik ist ein kleines Küstenstädtchen, welches auch "Perle der Ostküste" genannt wird. Wir erleben Västervik in einer sehr ruhigen Jahreszeit, es sind kaum Menschen zu sehen. Vor allem im Sommer ist hier viel los, Västervik und die Gegend ist ein beliebtes Urlaubsziel. Wir werden bald selber erfahren, warum das so ist.


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Unser Häuschen liegt am Rande eines Campingplatzes in der Nähe der Küste. Wir reisen mit gemischten Gefühlen an. Lange haben wir nach einer passenden Unterkunft gesucht. Es gab viele Häuser, aber oft waren sie uns einfach zu teuer. Also wählten wir dieses, welches etwas günstiger ist. Die Kritiken auf Airbnb waren meist positiv, es hiess aber auch, dass es nicht so sauber sei. Was immer das heisst. Dafür sind wir nun positiv überrascht.


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Uthammar bei Figeholms Camping

Das Haus steht im Grünen mit einer Terrasse und Sonne den ganzen Tag. Es gibt ein paar wenige Häuschen drum herum, aber die meisten stehen in dieser Jahreszeit leer. Einfache Ausstattung, aber sehr gemütlich und was die Sauberkeit angeht, naja es geht besser, aber alles andere überwiegt einfach. Das ist der Vorteil des Reisens, man wird auch in diesem Punkt entspannter. Ausser ein wirklich verdreckter Backofen, der wegen alter Essensreste fürchterlich zu qualmen beginnt, weil unsere Vorgänger ihn einfach nicht geputzt hatten, bringt mich dann doch kurz auf die Palme. Frida, unsere Vermieterin, ist sehr nett, entschuldigt sich und fragt, ob sie jemanden zum Reinigen schicken soll. Unterdessen ist der Backofen sauberer als je zuvor und ich habe mich beruhigt, die Kekse sind im Ofen einfach etwas später. Ich erwähnte ja schon, dass wir uns komischerweise in kleinen Häusern wohler fühlen und dieses ist so ein kuschliges. Das macht alles wieder wett.



Wir machen uns gleich nach der Ankunft auf den Weg zum Meer. Die Sonne scheint und sie wird vierzehn Tage lang für uns scheinen und es werden viele Spaziergänge, Wanderungen und Läufe sein. Weil wir einfach nicht genug bekommen.

Ich suche nach Adjektiven, die die Natur hier in Schweden und speziell in dieser Gegend zu beschreiben in der Lage sind. Ich finde keine irgendwie. Schön und zauberhaft ist es an vielen Orten. Die Schären mit ihren vielen, kleinen und winzigen Inseln, die ursprünglichen Wälder, der hellgrüne moosbewachsene Waldboden, die Felsformationen, die Sonnenuntergänge, das alles erinnert mich an viele Orte gleichzeitig, vereint an einem einzigen Ort. Wenn man dann auf einem Bootssteg sitzt und auf das Wasser schaut, dann öffnet sich ein Vorhang und "Gottes Leinwand", wie ich diesen Anblick nenne, offenbart sich vor Deinen Augen und berührt Deine Seele. Das Adagio in G Moll von Remo Giazotto spiegelt für mich genau das wider.



Es ist ein Paradies nicht nur für uns sondern für Wasservögel. Liebespaare zeigen sich bei der gemeinsamen, fast synchronen Nahrungssuche, Flugformationen von Kranichen, Möven und Wildgänsen lassen den Blick nach oben schweifen. Immer wieder zischen Enten schnatternd an uns vorbei. Wir glauben, sie haben einfach Spass am Fliegen. Ihr Schnattern wirkt wie freudiges Juchzen und eine angeregte Unterhaltung darüber, wie toll es ist. Es lebt, und das verbliebene Eis knirscht und schabt. Das ganze Schauspiel hat so etwas Naives, Unschuldiges. Diese Wesen leben ihr Leben von einem Moment zum nächsten. Sie ahnen nichts von dem, was in der Welt passiert. Sie tun auch niemandem etwas zu Leide. Und wenn sie töten, dann nur zum Überleben, weil die Natur es so vorgesehen hat und nicht aus Gier und Machtgelüsten.




Es werden zwei unglaublich schöne Wochen. Ich habe mich lange nicht mehr so verbunden gefühlt mit der Natur. Ich streife viel durch die Wälder und raste auf einem Felsen, der mir einen Blick über all das eröffnet. Es gibt viele Wege und schmale Trails zum Wandern und Laufen.



Ich bin zum Thema "Meditieren in schwierigen Zeiten" auf ein Zitat von Walt Whitman über das Wandern gestossen, welches mir sehr geholfen hat:


"Zu Fuss und unbeschwert gehe ich auf der offenen Strasse, gesund, frei, die Welt vor mir,

Der lange braune Weg, bevor er mich dorthin führt, wohin ich will.

Von nun an bitte ich nicht mehr um Glück, ich selbst bin ein Glückspilz... abgelegt Beschwerden über Innenräume... stark und zufrieden gehe ich den offenen Weg."


Lockdowns und Abstandsregeln haben viele von uns zum Teil in Isolation gezwungen. Für die einen eine Qual für die anderen eine Möglichkeit wieder mehr bei sich selbst zu sein. Gehen war früher notwendig, um an Nahrung zu gelangen. In verschiedenen Traditionen gehört das Wandern und Pilgern dazu, um innere Ruhe und neue Lebenskraft zu finden. Früher gehörte auch das Abstand halten zur Gesunderhaltung ganz natürlich dazu. Wir sollten uns bemühen, jeden Tag in einiger Entfernung von anderen im Freien zu wandern egal wo man sich gerade befindet, auch allein.



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