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  • AutorenbildAnke Dollase

Jokkmokk - Leben mit minus 34 Grad, geht das und wie geht das?

Aktualisiert: 3. Apr. 2022

"Das Licht des Winters ist die Poesie der Geduld."

- Monika Minder-



Unsere nächste Station ist Jokkmokk, genauer gesagt der kleine Ort Vaikijaur, ca. 9 km von Jokkmokk entfernt. Wir haben eine Art Herberge oder Vereinshaus gebucht. Ausgestattet ist dieses Haus für rund 10 Personen, wobei man auch in dem Speisesaal Veranstaltungen mit sicher 30 Personen durchführen könnte. Es gibt einen Beamer, eine Sauna und eine grosse Küche, die man wie gesagt für Events nutzen könnte. Und da sind wir nun für eine Woche, nur zu zweit. Anfänglich kommen wir uns ziemlich verloren vor. Die Küche, eine Herausforderung. Unzählige Schränke und Schubladen gibt es zu erkunden. Bis man mal weiss, wo was ist, ist eine Woche vergangen. Den Beamer machen wir uns kurzerhand zu Nutze. Kurz entschlossen räumen wir den Speisesaal um. Zum Glück gibt es ein paar gemütliche Rattansessel, die wir in die Mitte vor die Leinwand schieben, nachdem die grossen Esstische beiseite geschoben sind. Fertig ist unser abendliches Kino, was für ein Highlight! Seit Jahren waren wir nicht mehr im Kino, in Zeiten Pandemie sowieso nicht und nun haben wir unser Privatkino.



Es ist bitterkalt draussen. Wie kalt ist uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Mir merken es, als wir draussen sind. Nach Polarlichtern Ausschau halten, eigentlich gar nicht möglich. Wir sind so dick angezogen, wie es eben geht, aber nach zehn Minuten kann man kaum noch Finger und Zehen bewegen. Die Nasenflügel kleben irgendwie zusammen. Drinnen wird es auch nicht so richtig warm. Wir sagen unserer Vermieterin bescheid. Ein netter Herr kommt am nächsten Tag vorbei und regelt unser Heizung hoch und meint schulterzuckend, es sei im Moment ziemlich kalt. Ich denke, wir sollten mal unser Auto starten, ob es noch anspringt, sage ich zu Chris.

Wir hatten letzte Nacht die Motorhaube unseres Autos mit einer Decke und einem Isoliermatte abgedeckt. Ich hatte das auf einer Webseite gelesen, dass man das in Russland so macht. Die andere Variante ist den Motor laufen lassen. Das ist natürlich umwelttechnisch eine Schande.



Ob diese Abdeckung was gebracht haben soll, wagen wir zu bezweifeln. Wir müssen einkaufen, also starten, jetzt. Das Auto ächzt und murkst, nichts. Noch ein Versuch, tack tack tack. Nicht viel mehr. Bitte spring an, flehe ich. Und beim dritten Versuch und einem letzten Aufbäumen springt der Motor an. Er klingt so komisch, fragend guckend wir uns an. Man muss dazu sagen, dass das Auto minus 25 Grad problemlos aushalten sollte. Auch sollte der Diesel erst ab minus 25 bis 30 Grad anfangen zu gelieren. Wenn das passiert, wird es für das Auto und uns ziemlich mühsam. Wir vermuten, es muss kälter sein. Um Himmels Willen. Aber unser guter Golf springt an, tuckert ziemlich unregelmässig, so wie wir nach unserer Erkältung, die gerade am Abklingen ist. Die Elektronik spinnt komplett, die Kupplung ist steif gefroren und lässt sich kaum bewegen. Erleichtert nehmen wir den Weg zum ICA, dem hiesigen Supermarkt, auf. Die Armatur zeigt minus 28 Grad an. Und es ist Tag! Wie kalt muss es wohl in der Nacht gewesen sein. Ich schaue später nach, es waren sage und schreibe minus 34 Grad. Wir sind sehr dankbar, dass unser Auto diese Kälte so gut überstanden hat. Und wir sind froh, dass die nächsten Nächte nicht unter minus 25 Grad fallen.


Auf dem Parkplatz des Supermarktes überlegen wir, das Auto laufen zu lassen. Da wir nicht sicher sind, bleibt Chris bei laufendem Motor im Auto und ich husche allein in den Laden.

Da es immer noch so schweinekalt ist, lassen wir den Motor etwas laufen am Nachmittag. Wir wissen, dass das nicht in Ordnung ist (man vergebe uns das), aber ich lese auf der Wetterseite, dass die Temperaturen gegen Abend steigen sollen. Und sie tun es auch etwas. Das Auto wird also wieder schön abgedeckt, in der Hoffnung, dass es was bringt und wir hoffen auf wärmere Temperaturen in den nächsten Tagen. Die Einheimischen haben alle Motorheizungen. Auf den Parkplätzen befinden sich Steckdosen, an denen man das Auto anschliessen kann, damit der Motor nicht einfriert. Das hätten wir vorgängig einbauen lassen müssen. Das hat uns Kristian in Mora auch empfohlen. Aber eben, das wäre aufwendig und teuer geworden. Wir haben es nun auf russische Art gelöst.



Es ist so, dass man an so kalten Tagen nicht so viel draussen machen kann. Wir sind sehr gern und lange draussen. Wir laufen gern, wir wandern gern, wir spazieren gern. Das alles wird von uns auf kürzere Distanzen und Zeitspannen reduziert. Hinter dem Haus befindet sich ein wunderschöner Wald mit tollen Trails, die auch im Winter gespurt sind. Ich mache mich also auf den Weg mit den Schneeschuhen. Ich bin gut angezogen, es sind minus 17 Grad, der Wind bissig. Die Natur ist atemberaubend schön. Es ist 11.30 Uhr, die Sonne steht tief, so als ob gerade Sonnenaufgang oder -untergang wäre. Nach einer reichlichen Stunde kehre ich zurück ins warme Heim. Die Nase läuft wie aus Kannen, das Gesicht beginnt zu frieren. Also zurück in die gute Stube. Es zieht uns jeden Tag raus, die Landschaft und das Licht sind magisch, auch wenn es nur kurze Spaziergänge sind. Eigentlich sind wir wegen dem weltberühmten Markt nach Jokkmokk gekommen. Dieser findet jährlich im Februar statt. Und wir sind genau zu diesem Zeitpunkt da. Aber dank der Massnahmen fällt er nun zum zweiten Mal aus.



Jedes Jahr Ende Januar/Anfang Februar fahren die Sami Lapplands in Jokkmokk zu ihrem traditionellen Wintermarkt. Dann verwandelt sich das etwa 3.000 Einwohner zählende Städtchen zu einem riesigen Rummelplatz, denn in jedem Jahr besuchen rund 40.000 Menschen den Wintermarkt in Jokkmokk (“Jokkmokks marknad” heißt er im Original).

Da können es auch schon mal zwanzig Grad minus sein, was aber weder die Marktleute noch die Besucher sonderlich stört. Überall gibt es Cafés und Restaurants, in denen man sich wieder aufwärmen kann.

Die Besucher können allerlei Aufführungen und Vorstellungen sehen, aber auch Kleidung, Schmuck, Holzgegenstände und samische Wild- und Fischspezialitäten kaufen. Die Stadt und ihre Umgebung sind zu dieser Zeit ausgebucht. Unterkünfte in Jokkmokk oder den umliegenden Dörfern solltet ihr lange im Voraus reservieren. Deswegen war es für uns wohl so einfach, eine solche tolle Unterkunft zu finden. Ein paar Tage vor unserer Ankunft haben wir erfahren, dass der Markt wieder nicht stattfinden kann. Wir sind aber trotzdem nach Jokkmokk gefahren und haben es nicht bereut. Umso bitter ist es, dass eine Woche darauf, am 9. Februar 2022 alle Massnahmen in Schweden aufgehoben wurden.

In dieser grossen funktionalen Küche kann ich mich natürlich wieder "verwirklichen". Ich backe ein Mischbrot aus Roggen- und Dinkelvollkornmehl und diesmal noch knusprige, schwedische Haferkekse (Rezept folgt).

Das Haus ist insgesamt zu gross für uns. Die Sauna geniessen wir. Es tut so gut, sich nach einem Spaziergang in dieser Kälte in der Sauna aufzuwärmen und zu entspannen. Unser Fazit: Wir brauchen nicht viel Platz. Lieber etwas kleiner, damit wir uns nicht so "verloren" fühlen, aber eine gut ausgestattete Küche und fliessend Wasser im Haus ist etwas wert.

Wir haben Rentiere gesehen, nicht nur im Supermarkt ausgestopft, sondern auf der Strasse, an uns vorbei schlendernd.


Am Polarkreis

Wir haben uns auch gefragt, wie die Menschen ihre Freizeit im kalten Norden jenseits des Polarkreises verbringen. Viele Menschen haben wir draussen nicht gesehen. Aber hin und wieder sausen sie in Jetskis vorbei oder abends in ihren Autos mit Anhängern, in denen die Jetskis verstaut sind. Einmal habe ich einen Jogger gesehen mit einer speziellen Maske, die die Atemluft anwärmt. Das wäre wohl nicht mein Ding. Uns als Hobbyläufern wäre es wohl auf Dauer zu kalt da oben. Aber es lässt sich nicht leugnen. Irgendwas hat unser Herz erwärmt. Es ist einbesonderer Ort. Wir denken sehr gern an die Zeit in Jokkmokk zurück.


Jokkmokk Impressionen ;), leider ohne Markt










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