Schweden und der Alkohol
- Anke Dollase
- 9. März 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. Apr. 2022
"Alkohol löst Zungen, aber keine Probleme."
-Werner Mitsch-

Schweden hat einen eigenen Umgang mit dem Alkohol, der sich von dem vieler anderer Länder unterscheidet.
Es geht mir in diesem Blogbeitrag nicht darum, darüber aufzuklären, wie die Gesetze in Schweden sind und wie man sich verhalten sollte, damit man nicht auffällt oder gar mit dem Gesetzt in Konflikt kommt. Darüber gibt es bereits einige wissenswerte Internetseiten. Empfehlen kann ich zum Beispiel den Beitrag "Die Schweden und der Alkohol: Preise, Gesetze, Trinkkultur" auf hejsweden.com. Ich schreibe über meine ganz persönliche Sicht, die Sicht einer Nichttrinkerin. Das war ich nicht immer. Ich trinke seit eineinhalb Jahren keinen Alkohol mehr. Ich habe wie viele andere Menschen auch gern Wein oder Sekt getrunken. Das beschränkte sich aber nicht nur auf die Wochenenden, sondern auch mal gern unter Woche. Ich habe schon von einigen Pärchen gehört, dass es für sie normal ist, am Abend eine Flasche Wein zu öffnen und diese dann gemeinsam zum Essen zu trinken. Bei Besuchen wird auch bereits zum Mittag Wein oder Bier gereicht. Ich habe das nie hinterfragt, was ist denn schon dabei, oder? Schliesslich ist es ein Akt, der gesellschaftlich akzeptiert ist und zum sozialen Leben dazugehört.

Mir fiel im September 2020 ein Artikel in die Hände, in dem es darum ging, dass der Alkoholkonsum während des Lockdowns zugenommen hatte. Mir fiel auf, dass es auch bei mir so war. Ein Gläschen oder zwei hier und da und weg sind die Ängste und da ist die Entspannung. Bis zu einem gewissen Grad wirkt Alkohol wie ein Antidepressivum, bevor es dann recht schnell in die andere Richtung kippt. Es ist erstaunlich, wie schnell man sich daran gewöhnen kann. Das gefiel mir persönlich gar nicht. Wenn man aber Leute nach ihrem Alkoholverhalten fragt, dann trinken alle nur, weil der Wein oder das jeweilige Getränk was besonderes ist oder weil man zu einem Anlass eben etwas trinkt der Gesellschaft wegen, niemals wegen des Alkohols darin. Interessant.
Ich mag Abhängigkeiten grundsätzlich nicht und ich finde es spannend, ab und zu mal seine Gewohnheiten zu hinterfragen und mal einen neuen Weg auszuprobieren. Gesagt, getan und nun sind bereits eineinhalb Jahre daraus geworden. Hier in Schweden bekommt man im Supermarkt keinen Alkohol über 3.5 Volumenprozent. In einigen wenigen haben wir Bier oder Cider bis bis 3.5 Volumenprozent gesehen, ansonsten gibt es nur alkoholfreie Alternativen, sprich neben Bier auch alkoholfreien Wein und Sekt. Für uns ist das ein Paradies. Man findet in der Schweiz und in Deutschland in grossen Supermärkten mittlerweile zumindest eine Sorte alkoholfreien Wein. Bier ist leichter zu finden. Wenn man aber Abwechslung möchte, wird es durchaus schwierig.

Alkoholfreies Sortiment im Supermarkt ICA
Hier in Schweden ist es kein Problem, man bekommt Merlot, Cabernet Sauvignon, Shiraz, Riesling, Chardonnay und andere Rebsorten. Diesen Weinen wird in einem aufwendigen Verfahren der Alkohol entzogen. Es handelt sich also nicht um Traubensaft. Der etwas schärfere Abgang, der durch den Alkohol entsteht, der fehlt einem sicher am Anfang. Aber mittlerweile haben wir uns entwöhnt.
Mir ist bewusst, Menschen mit einem handfesten Alkoholproblem sollten solche Getränke möglicherweise meiden, da sie zum Trigger werden können. Ich verwende bewusst nicht den üblichen Ausdruck "trockener Alkoholiker", da es etwas Stigmatisierendes hat. Auch möchte ich keine Lanze für alkoholfreien Wein brechen. Uns schmeckt er einfach. Er hat nach wie vor den Geschmack eines Weines, macht aber keinen "dummen" Kopf und man schläft besser. Ausserdem wirken sich der geringere Kalorienverbrauch und eine bessere Fettverbrennung positiv auf das Aussehen aus.
In Schweden gibt es Alkohol nur in Spezialgeschäften (Systembolaget) die staatlich sind. In Restaurants bekommt man ab 18 Jahren Alkohol ausgeschenkt, in Systembolagets ab 20 Jahre.
Der Pro-Kopf-Verbrauch in Schweden lag 2016 bei 9.2 l reinem Alkohol. In der Schweiz lag er bei 11.5 l und in Deutschlang bei 13.4 l. Damit steht die schwedische Bevölkerung im Vergleich ganz gut da. Gemäss Forschern sollte bei einer Liberalisierung der Konsum um 30% steigen, also einen ähnlichen Stand wie Deutschland erreichen.
In Schweden wird selbstverständlich gern getrunken. Wein soll ein gern gesehenes Gastgeschenk bei Besuchen und Feiern sein. Trinken in der Öffentlichkeit ist verboten, Trinken unter der Woche eher unüblich. Dafür wird am Wochenende Gas gegeben. Man muss dafür in ein Spezialgeschäft, es gibt keine "Späti`s" und keine Tankstellen und der Alkohol ist im Vergleich zu Deutschland teuer. Oder man schmuggelt den Alkohol über Grenzen oder karrt es von der Fähre aus Riga. Die Restriktionen der Regierung scheinen zu wirken und sind für mich auch nachvollziehbar. Ich, die sich mit dem Thema befasst hat auch beruflich, halte Alkohol für gefährlich und mitschuldig an vielen Krankheiten in unserer Gesellschaft. Ich jedenfalls muss im Supermarkt mich in Schweden nicht durch zig Regale mit Alkohol kämpfen, um an eine alkoholfreie Alternative zu kommen. Es fühlt sich hier normaler an, eine Nicht-Trinkerin zu sein. Ich geniesse nach wie vor ein Glas Wein mit meinem Liebsten und einem guten Gefühl.
Wer sich angesprochen fühlt und sich gern mit dem Thema intensiver beschäftigen will, dem empfehle ich den Film "Alkohol - Der globale Rausch".
Es ist interessant, wie unterschiedlich verschiedene Länder mit dem Thema Alkohol umgehen. Schweden hat sicherlich seine eigenen kulturellen und gesetzlichen Ansätze, wenn es um Alkoholkonsum und -gesetze geht. Es ist immer gut, sich über die lokalen Gesetze und die kulturellen Unterschiede in Bezug auf Alkoholkonsum in verschiedenen Ländern zu informieren. In Deutschland wird der trockener januar immer üblicher, was auch eine gute Nachricht ist.